Total Physical Response®

 

"Babies don't learn by memorizing lists; why should children or adults?"1

 

 

Prägnanter als mit diesem Zitat von Dr. James Asher, dem Begründer von "Total Physical Response", lässt sich die Distanz dieser Methode zu den Ansätzen des traditionellen Fremdsprachenunterrichts wohl nicht veranschaulichen. TPR® basiert auf der Prämisse, dass das menschliche Gehirn über ein eingebautes biologisches Programm zum Erwerb jeder beliebigen Muttersprache auf Erden, einschließlich der Zeichensprache, verfügt. Dieser Prozess wird sichtbar, wenn man den Spracherwerb eines Kleinkinds beobachtet.

 

Sagt ein Erwachsener zum Beispiel: "Sieh zu Papa!", so dreht sich das Gesicht des Kindes zum Vater, der dann erfreut ausruft: "Schaut doch, er sieht mich an!" Dr. Asher nennt dies "body-language conversation", weil der Erwachsene spricht (und ggf. vormacht) und das Kind mit einer körperlichen Reaktion "antwortet": Es sieht hin, lächelt, lacht, dreht sich um, läuft, streckt die Hand aus, greift oder hält etwas, setzt sich hin usw. 

 

Solche Prozesse laufen über viele Monate, bevor das Kind (abgesehen von "Mama", "Papa" und dergleichen) die ersten erkennbaren Wörter spricht. Ganz im Stillen verinnerlicht es die Klänge und Muster der Muttersprache. Sobald  dieser Verinnerlichungsprozess ausreichend fortgeschritten ist, wird das kindliche Sprechen spontan beginnen und nach und sich dem Stand eines Muttersprachlers annähern.

 

Der Erwerb einer Fremdsprache mit TPR® versucht diesen Prozess des Erstspracherwerbs nachzubilden und kann überzeugende Erfolge vorweisen. Dabei kann gleichermaßen mit Kindern wie mit Erwachsenen, mit Anfängern wie mit Fortgeschrittenen gearbeitet werden. Auch wenn in einer TPR®-Stunde am Anfang die grammatische Form des Imperativs (Befehlsform) vorherrscht, ist der Unterricht keinesfalls darauf beschränkt, sondern leistet selbstverständlich den Übergang zu allen anderen grammatischen Themen.2

 

 

1) "Babies lernen nicht durch Auswendiglernen von Wortlisten; warum sollten das Kinder oder Erwachsene tun?"

 

2) Konkrete Unterrichtsbeispiele bis hin zu kompletten Kursmodellen finden sich in den Büchern von James Asher, Ramiro Garcia, Steven Silver, Todd McKay und Blaine Ray.

 

 

Werkzeug TPR®: Nach 40 Jahren noch immer eine gute Idee!

Im Jahre 1965 demonstrierte Dr. James Asher, zusammen mit seinem Assistenten Dr. Shirou Kunihira, zum ersten Mal den überwältigenden Erfolg des Hilfsmittels TPR® beim Versuch, Schülern ohne Vorkenntnisse die japanische Sprache beizubringen. Seitdem ist dieser Erfolg in über 500 Grund- und Aufbauschulen sowie an Universitäten weltweit unzählige Male wiederholt worden. 

Die TPR®-Methode - Asher nennt sie lieber ein Werkzeug oder Hilfsmittel - stellt ein rasches Verständnis von Strukturen einer Fremdsprache sicher, und dies unabhängig vom schulischen Bildungsgrad. Jedes Kind und jeder Erwachsene mit einer im üblichen Rahmen liegenden Begabung wird an der schnell wachsenden Freude darüber teilhaben können, Strukturen der Zielsprache nach wenigen Versuchen oder sogar auf Anhieb zu verstehen.

Darüber hinaus sichert TPR® einen über Monate und Jahre währenden Verbleib des Gelernten im Langzeitgedächtnis und absolute Stressfreiheit beim Lernen.

 

Warum Verstehen so enorm wichtig ist

Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der grundlegenden Einsicht, dass der Erfolg beim Lernen einer Sprache nur gesichert ist, wenn das Verständnis  vor dem eigentlichen Sprechen der Sprache entwickelt wird. Warum ist das so?

Erstens fängt in jeder Kultur und jeder Sprache der Welt kein Kind an zu sprechen, ohne dass es zuvor ein Verständnis der sprachlichen Strukturen entwickelt hat. Die zeitliche Verzögerung zwischen Verstehen und Sprechen kann leicht ein ganzes Jahr ausmachen. 

Zweitens sind Sprechen und Sprachverständnis in unterschiedlichen Arealen unseres Gehirns angesiedelt; verlangt ein Lehrer: "Hört zu und sprecht mir nach!", so werden beide Areale gleichzeitig angesprochen mit dem Ergebnis, dass nur langsam und für das Kurzzeitgedächtnis gelernt wird.1) Diese Art eines unserem Gehirn nicht entsprechenden Unterrichtens  wird auch "brain overload" genannt. Auch das Übersetzen in die Muttersprache ist hier wenig hilfreich, da nur ein Kurzzeitverständnis erreicht wird, das spätestens beim Verlassen des Klassenraumes "gelöscht" wird. 

 

Wie erreicht TPR® ein Langzeitverständnis?

TPR® ermöglicht dem Lerner, im Klassenraum glaubwürdige körperliche Erfahrungen zu machen: Wenn der Lehrer behauptet, dass ein Gegenstand, der für den Schüler nach tausendfach bestätigter Erfahrung ein "Schreibtisch" ist, in Wirklichkeit "desk" oder "bureau" heiße, so ist für unser Gehirn diese Behauptung zunächst einfach absurd. Dass "steh auf" in der Fremdsprache "stand up" oder "lève-toi" bedeutet, glaubt unser Gehirn, weil wir auf diese Anweisung hin ja schließlich auch aufgestanden sind. Diese seltsamen neuen Äußerungen müssen also Gültigkeit besitzen. 

Die Arbeit mit Anweisungen oder "Befehlen" (engl. "commands") nimmt im Anfangsunterricht einen zentralen Stellenwert ein. Dabei wird zunächst der Erfahrungsraum der unmittelbaren Umgebung genutzt: möglichst konkrete Substantive, Adjektive, Verben, Präpositionen und Adverbien. Erstes Ziel eines herausragenden Sprachunterrichts ist die Gewöhnung der Schüler an die Klänge, die grammatischen Muster und die Wörter der neuen Sprache, ohne dass diese in ihre Bestandteile zerlegt und analysiert wird. Die Macht des Konkreten sollte dabei nicht unterschätzt werden; flüssiges Sprechen ist auch schon auf der Ebene des Konkreten möglich. Schließlich haben wir unsere Muttersprache auf diesem Wege gelernt. Das Abstrakte kommt später.

 

Wie gestaltet sich der Übergang zum Sprechen, Lesen und Schreiben?

Sobald ein Grundverständnis der ersten Strukturen der neuen Sprache angelegt ist (TPR® hat bis hierher überwiegend mit den nicht analytischen Fähigkeiten der rechten Gehirnhälfte gearbeitet), kommen auch Lerntechniken zum Einsatz, die die linke Gehirnhälfte ansprechen: traditionelle Übungen im Sprechen, Lesen und Schreiben, die dann zur nächsten TPR®-Einheit überleiten usw. Dr. Asher nennt dieses Pendeln in der Methodik der Arbeit "brain switching".

Ein wichtiger methodischer Schritt hin zum Sprechen ist auch die Umkehrung der Rollen im Unterricht: Schüler übernehmen die Rolle des Anleiters für ihre Mitschüler und (warum nicht?) auch den Lehrer. 

Ein weiteres zentrales Hilfsmittel kann das "Storytelling" sein.

 

Und wie steht es mit der Grammatik?

TPR® vermittelt Grammatik weitgehend unbewusst: Strukturen werden nach entsprechender Übungszeit richtig angewendet, obwohl die Schüler sie nicht erklären können. Dieses Verfahren ist ein effektives "Hochgeschwindigkeits-Lernen" im Gegensatz zum analytisch begründeten "Lernen im Schneckentempo". Zur ergänzenden Bewusstmachung grammatischer Strukturen im Unterricht dient das hilfreiche Buch von Eric Schessler.

 

Aussprache

Die meisten Studien sind sich einig: Das Ziel, in der Aussprache einem "native speaker" gleichwertig zu werden, ist für Lerner nur dann wirklich erreichbar, wenn sie vor der Pubertät mit der Fremdsprache beginnen.

 

Text geschrieben von Martin Anders